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Wertschöpfungskette
inder auf saftigen Weiden – ein Bild, und vertreibt. Kurze Transportwege und
das für viele eine ländliche Idylle eine möglichst stressfreie Schlachtung in
Rverkörpert. Doch die Realität sieht handwerklichen Betrieben in der Region
oft anders aus: Viele männliche Kälber, die tragen dazu bei, Aspekten der Nachhal-
in der Milchproduktion keine Verwendung tigkeit und Ethik bei der Fleischproduktion
finden, werden weit transportiert und in gerecht zu werden. „Das Grasrind-Fleisch
Mastbetrieben aufgezogen. Die Initiative reift zwei Wochen, ist fein marmoriert, saf-
„Grasrind vom Bodensee“ möchte das än- tig und aromatisch – ein echter Genuss.“
dern. Gegründet von regionalen Bio-Land-
wirtinnen und -Landwirten, Schlacht- und Aktuell werden im Rahmen des Gras-
Verarbeitungsbetrieben, setzt sie sich rind-Projekts etwa drei Rinder pro Woche
dafür ein, dass die Kälber in ihrer Heimat verarbeitet. Das ergibt fast 700 Kilogramm
bleiben, nachhaltig aufgezogen und zu Fleisch – genug für 4000 Mahlzeiten. Mi-
mindestens 80 Prozent mit Gras gefüttert nister sieht großes Potenzial darin, Rinder
werden. Das Ergebnis: eine artgerechte sowohl an Restaurants als auch an Kan-
Tierhaltung, die die Region stärkt und das tinen und Mensen zu vermarkten. Wäh-
Fleisch hochwertiger macht – ein Gewinn rend in der gehobenen Gastronomie Filet
für alle Beteiligten. und Roastbeef gefragt seien, nehme die
Standardküche Rinderbraten oder Steak,
Alles beginnt auf den Höfen der Re- und die Gemeinschaftsverpflegung – wie
gion, wo teilweise seit Generationen nach- etwa Kantinen und Kitas – greife zu eher
haltige Landwirtschaft betrieben wird – so günstigen Produkten wie Hackfleisch und
wie auf dem Naturland-Hof Renz in Wan- Gulasch. „So verwerten wir das ganze Tier,
gen im Allgäu. Damit die Kühe überhaupt das ist uns wichtig“, betont Minister.
Milch geben, müssen sie regelmäßig Käl- Ein wichtiger Partner in diesem Netz-
ber zur Welt bringen. Diese wachsen auf werk ist etwa Jürgen Miller, Bereichsleiter
dem Hof in Gruppen auf und werden mit Verpflegung und Catering bei der KBZO-
Muttermilch, Getreideschrot und Mineral- Stiftung in Weingarten, die täglich bis zu
stoffen versorgt. Ab einem Alter von etwa 1300 Mahlzeiten zubereitet. Auch bei ihm
drei Monaten dürfen die Tiere auf die Wei- kommt Grasrind auf den Tisch. „Wir kenn-
de – wo sie, wie im Grasrind-Projekt gefor- zeichnen das Fleisch, und viele Gäste neh-
dert, überwiegend Gras fressen. „Unsere men das bewusst wahr“, so Miller. Dabei
Kälber trinken in den ersten Monaten bis gehe es um weit mehr als nur Geschmack:
zu 800 Liter Milch“, erklärt Marcel Renz, „Wir haben die Chance, schon bei den
der mit seinem Sohn Benedikt den Hof Jüngsten ein Bewusstsein für nachhaltige
betreibt. Danach verbringen die Rinder Ernährung und Tierwohl zu schaffen.“
i zwei Sommer auf der Weide, bevor sie ge- Um dieses Bewusstsein auch bei Kü-
Naturland-Hof Renz schlachtet und als Grasrinder vermarktet chenleitungen zu schärfen, sind Zerlege-
Der Familienbetrieb werden. seminare ein weiteres zentrales Element
betreibt ökologische Diese Form der Tierhaltung kommt der Grasrind-Initiative. In den Kursen ler-
Milchviehhaltung
nach Naturland- aber nicht nur den Rindern, sondern letzt- nen die Küchenprofis den gesamten Pro-
Richtlinien in lich auch dem Verbraucher zugute – da- zess von der Fütterung der Tiere bis hin
Wangen im Allgäu.
Auf rund 130 Hektar von ist Matthias Minister, Mitgründer von zur Verarbeitung des Fleisches kennen.
landwirtschaftlicher Grasrind vom Bodensee, überzeugt. „Die „Viele Köche erzählen uns, dass sie in ihrer
Nutzfläche grasen
hier 200 Milchkühe, kurzen Wege und die artgerechte Hal- Ausbildung wenig über Fleisch gelernt
die jährlich etwa tung wirken sich direkt auf die Fleisch- haben“, erklärt Matthias Minister. „Bei uns
1,3 Millionen Liter qualität aus“, so der Geschäftsführer der sehen sie, wie man auch weniger gefragte
Milch geben.
Marke Fairfleisch, die Fleisch aus be- Teile hochwertig verwertet – und damit
sonders artgerechter Tierhaltung zerlegt letztlich auch wirtschaftlicher arbeitet.“
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