Text und Bilder von Johannes Riedel
„Ich bin der letzte Ur-Niedernzeller“, schmunzelt Norbert Huchler. Er sitzt in der Sonne vorm Bauernhaus am südlichen Rand des Gutenzeller Ortsteils und zeigt auf ein Fenster im ersten Stock: Da oben ist er geboren – die letzte verbriefte Hausgeburt. Und er lebt noch immer hier, betreibt den Hof der Familie in vierter Generation und führt mit seinem Großcousin Stefan die Wendelhof GbR seit 1994 im ökologischen Landbau. Von und auf 115 Hektar Grünland erzeugen Milch und machen sie Biogas. Der Hof ist nach Bioland-Richtlinien zertifiziert.
Bio? Logisch!
Ein Lehrer hatte den jungen Norbert für Ökologie sensibilisiert. Es waren die politisch bewegten frühen 80-er Jahre, die Jugend diskutierte über Nachrüstung oder Atomkraft und die Partei der Grünen entstand. Huchler machte seine landwirtschaftliche Ausbildung, verweigerte den Kriegsdienst, arbeitete in der Pflege und wurde Landwirtschaftsmeister. In Sachen Ökologie ist er Überzeugungstäter, er sitzt in seiner dritten Wahlperiode im Kreistag: „Wir brauchen ein gesellschaftliches Grundrauschen fürs Naturbewusstsein, keine Dauernörgelei.“ Weil er nicht nur sein Ehrenamt so interpretiert, lässt Huchler auf seinem Hof auch Taten sprechen.
Bei Führungen, Workshops, Bauernhofpädagogik oder Lehrerfortbildungen gibt es viel zu sehen und zu erleben: Nicht nur die mit neuem Motor ausgestatte Biogasanlage, in die Gras und Gülle vom Hof sowie etwas Mais hineinkommen oder die gut 70 Stück Milchvieh teils mit besonderem Farbschlag mit etwa ebenso vielen Kälbern und Färsen, die im sattgrünen weiten Rottal auf großen Weiden augenscheinlich sehr glücklich sind. Nicht benötigter Öko-Strom wird verkauft, die Milch geht an eine Bio-Molkerei in Bayerisch-Schwaben. Neben diesen beiden Säulen des Betriebs gehen Kälber an eine lokale Metzgerei. In Kooperation mit einem nahen Bio-Schweine-Betrieb baut der Wendelhof noch etwas Getreide an.
Klein aber fein
Nach seinem politischen wie landwirtschaftlichen Motto – überschaubares Wachstum, Konzentration auf Weniges sowie Nachhaltigkeit – probiert Huchler einiges in Sachen Sorten- und Artenvielfalt durch Agroforst und Permakultur aus. Am Osthang des Tals hat er Gefällstücke terrassiert und unterschiedlichste Bäume und Sträucher gepflanzt. Es entsteht eine Baum- beziehungsweise Streuobstwiese mit mehreren Vegetationsebenen auf sich selbst überlassenem Grund. Diese Nachhaltigkeit und Biodiversität erfreut besonders Bodenorganismen, Kleingetier, Insekten und Vögel.
„Vielfalt statt Einfalt ist wichtig“, sagt Huchler. Und weil nicht alle Betriebe alles machen sollten, bedürfe es einer individuellen Spezialisierung, die den Boom bei regionalen Produkten bedienen kann: „Dann sitzen Verbraucher und Vermarkter mit im Boot.“ Regionale Bäcker, Metzger, Molkereien und Gastronomiebetriebe sollten die Bio-Landwirtschaft als echte Chance verstehen. Weil es mehr Betriebe werden müssten, ermutigt er dazu: „Bio ist kalkulierbarer und sicher in der Planung, ist von den aktuellen Preissteigerungen nicht in dem Maße betroffen.“ Die vier Huchler- Kinder können sich für die Zukunft die Arbeit in der Bio-Landwirtschaft auch vorstellen. Der älteste Sohn lernt Landmaschinenmechaniker und sei einer Übernahme nicht abgeneigt.
Dass die biologische Wirtschaftsweise Zukunft hat, ist auf dem Wendelhof an allen Ecken und Enden und in besonderem Maße spür- und erlebbar. Warum? Weil sich ihr hier jemand aus vollem Herzen und mit Leib und Seele verschrieben hat und die Idee lebt, das Vorgehen erklärt und die Chancen zeigt. Gerade deshalb lohnt es für Schulen, Interessierte, Vereine, Unternehmen, Gruppen oder Freundeskreise, sich den Wendelhof zeigen zu lassen und dabei auch ein zünftiges Hofvesper zu genießen, zu verbinden mit Radtour oder Spaziergang in einem der schönsten Ecken des Kreises. „Bio“ heißt hier Lebensqualität in Harmonie mit der Natur. Wohl deshalb wirkt der Ur-Niedernzeller Norbert Huchler auf heimischer Scholle so entspannt, ausgeglichen und in sich ruhend.
www.wendelhof.de