Frisches, regionales Bio-Essen in der Kantine oder Kita? Gar nicht so einfach. Wie das trotz finanzieller und logistischer Hürden zumindest in Teilen gelingen kann, zeigen zwei Beispiele aus Konstanz. Unterstützt von der Bio-Musterregion Bodensee gehen die Konradihausküche der Caritas und die Uni-Kita Knirps & Co neue Wege in Richtung nachhaltige und gesunde Gemeinschaftsverpflegung.
Rund 130 Kinder und das pädagogische Team vom Kinderhaus Knirps & Co an der Universität Konstanz: Sie alle wollen mehr regionale Bio-Produkte in ihrem täglichen Mittagessen, beim Frühstück und Vesper. „Eine frische und gesunde Ernährung für die Kinder ist allen in unserem von Eltern getragenen Verein eine Herzensangelegenheit“, so Geschäftsführerin Yunuen Mann, die sich darum kümmert, die passenden Lieferanten zu finden. „Wir brauchen so viel Obst, das bekommen wir nicht in Bio-Qualität geliefert. Von anderen Produkten brauchen wir wiederum zu kleine Mengen, die liefert uns auch niemand.“
Die eierlegende Wollmilchsau der Außerhausverpflegung
Petra Melchers, Küchenleiterin im Konradihaus der Caritas Konstanz, kennt das Problem. Täglich gehen hier 750 Essen für Kitas, Werkstätten und externe Unternehmen wie den Südkurier raus. Seit 2021 ist die Küche zertifiziert: 30 % der Lebensmittel stammen aus biologischem Anbau.
30 %? Trotz intensiver Bemühungen können Großküchen meist nur einen Teil in regionaler Bio-Qualität anbieten – selbst in der Bodenseeregion, wo es zahlreiche regionale und biologische Betriebe gibt, die eine große Bandbreite an Lebensmitteln produzieren – von Gemüse, Obst, Fleisch oder Käse bis zu Nudeln. Melchers nennt die Herausforderungen: „Großküchen brauchen große Mengen, das können Einzelbetriebe meist nicht liefern. Es muss den Gästen schmecken. Und es darf nicht zu teuer sein.“ Saison-Gemüse, Nudeln oder Gewürze kann sie in Bio-Qualität beziehen. Bei Fleisch kann sich die Caritas die Bio-Qualität nicht immer leisten. Ein Mittagessen im Konradihaus gibt es ab 5,20 €. „Bio-Fleischgerichte würden doppelt so viel kosten“, erklärt Melchers, „das wäre sozial nicht mehr vertretbar.“ Und sie weiß, dass für viele ihrer Gäste Fleisch zum Speiseplan dazugehört. Wenn Bio nicht geht, setzt sie auf regionale und faire Produkte, z. B. mit dem Label Fairfleisch, das für artgerechte Haltung steht.
Bio muss gut organisiert sein
Viel, frisch, günstig und dazu noch Bio und regional ─ um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden, brauchen die Großküchen bezahlbare Produkte und verlässliche Lieferanten. Hier kommen Lucile Huguet und die Bio-Musterregion Bodensee ins Spiel, ein vom Land Baden-Württemberg gefördertes Projekt. Regionalmanagerin Huguet kennt die Bio-Produzenten und -Händler aus der Region und hilft beim Aufbau stabiler Beziehungen zwischen Großküchen und Lieferanten. Sie erklärt: „In der Region ist fast alles vorhanden, um auch in der Gemeinschaftsverpflegung ein frisches und biologisches Angebot zu gewährleisten. Die Vernetzung der Akteure ist bei diesen Mengen und der notwendigen Planungssicherheit eine große Herausforderung. Hier unterstützen wir mit Workshops, Vernetzungstreffen, Fachtagungen und der Begleitung von Zertifizierungsprozessen.“
Kreative Küchenarbeit
„Die Bio-Musterregion hat bei uns den entscheidenden Anstoß gegeben“, sagt Melchers. Sie hatte sich schon länger einen nachhaltigeren Speiseplan gewünscht, aber an der Machbarkeit gezweifelt. Denn eine Großküche braucht Planbarkeit. Nachhaltige, abfallvermeidende und saisonale Küche braucht dagegen viel Flexibilität, um Reste zu verwerten und Überschuss zu nutzen. Da müsse man dann kreativ werden, schmunzelt Melchers, die deshalb öfter einen „Saisonsalat“ in den Speiseplan schreibt. Was für einen Salat es dann genau gäbe, zeige sich spontan, „aber gesund und lecker ist er mit Sicherheit.“ Das Küchenteam hat die Herausforderung nach anfänglicher Skepsis begeistert angenommen: neue Gerichte ausprobieren, mit anderen Zutaten experimentieren, Speisepläne umstellen ─ und bei alledem die Gäste mitnehmen. Das mache richtig Spaß, erzählt Melchers: „Nichts ist in der Küche schöner, als kreativ zu arbeiten“.
Zur Abfallvermeidung verarbeitet ihr Team bspw. Gemüsereste zu Brühe. Melchers freut das: „Wir wissen, was drin ist!“ Denn frische Zubereitung ist ihr ein großes Anliegen. Verarbeitete Produkte – egal ob vegetarisch oder mit Fleisch ─ seien ungesünder, aber leider im Trend. Damit die eigenen Kreationen gut ankommen, orientiert sich Melchers Team an den Vorlieben der Gäste: Smoothies oder bunte Joghurt-Nachtische gibt es in der Konradihausküche auch – selbst gemacht und ohne Zusatzstoffe.
Der Speisesaal als Lernort
Auch mit den Essgewohnheiten ihrer Gäste müssen Großküchen kreativ umgehen, wenn sie ihr Angebot nachhaltiger und gesünder aufstellen wollen. Deutschlandweit essen in Unternehmen, Kitas, Schulen, Pflegeheime und anderen Organisationen täglich 14 bis 18 Millionen Menschen. Hier prallen Vorstellungen von gutem Essen aufeinander. Auch bei den Gästen der Konradihausküche ist das so. Das Feedback zur Umstellung? Gemischt. Manche freuen sich, andere sind dagegen überzeugt, man würde ihren Kindern wichtige Nährstoffe vorenthalten, wenn es weniger Fleisch gibt. Vieles ist ungewohnt. Für Melchers ist klar, dass es zur Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung auch Aufklärung braucht. Für sie ist der Speisesaal auch ein Lernort, in dem Wissen über Landwirtschaft, Verarbeitung und Zubereitung vermittelt wird – und das möglichst schmackhaft.
Das ist auch der Wunsch von Sabine Weinhammer, Leiterin des Kinderhauses an der Uni: „Bei uns wird noch jede Kartoffel geschält, auf frische Zubereitung haben wir von Beginn gesetzt. Wenn es uns jetzt gelingt, den Bio-Anteil zu erhöhen, sind wir glücklich.“ Und bei 30 % muss es ja nicht bleiben – denn dafür gibt es nur Bronze bei der Bio-Zertifizierung.