Zu Ostern schaut die Bio-Musterregion hinter die Kulissen der Eierproduktion
Ostern ist das Fest, an dem bunt gefärbte Eier bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern selbstverständlich dazugehören. Im Main-Tauber-Kreis halten 25 Eiererzeuger insgesamt 37.200 Legehennen. Dabei sind alle Betriebe mit mehr als 40 Hennen – in konventioneller und in Biohaltung – zusammengezählt. Damit erzeugen die Landwirte im Main-Tauber-Kreis gerade mal ein Drittel dessen, was etwa in Niedersachsen oder in Sachsen ein einzelner spezialisierter Legehennenbetrieb, der über 100 000 Tiere hält, auf den Markt bringt. Doch trotz solch großer Produzenten lag der Selbstversorgungsgrad bei Eiern in Deutschland im letzten Jahr nur bei ungefähr 73 Prozent. Dementsprechend musste Deutschland etwas mehr als ein Viertel der hier verzehrten Eier einführen. Eierexportländer sind Holland und Polen.
Wie Bio-Eier im Main-Tauber-Kreis erzeugt werden, darüber hat sich der Regionalmanager der Bio-Musterregion Main-Tauber-Kreis, Stefan Fiedler, kurz vor Ostern auf dem Biobetrieb Haaf in Oberwittighausen informiert. Die aktuelle Situation des auf Legehennenhaltung und Ackerbau spezialisierten Biobetriebs bringt den Regionalmanager zu einem eindeutigen Fazit: „Es zeigt sich derzeit einmal mehr, dass regionale Landwirtschaft krisensicherer ist. Hier wird das Futter auf den Höfen erzeugt und werden die Produkte in der Region verarbeitet und vermarktet. Hierbei wird mit den höchsten Tierschutzauflagen, Umweltauflagen und den höchsten Sozialstandards gearbeitet. Diese Produkte entsprechen höchster Qualität und tragen zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft bei.
Bereits 1989 stellten die Eltern von Thomas Haaf ihren Hof auf Bioproduktion um. Wurden sie anfangs noch belächelt, ist der Betrieb nach 34 Jahren ökologischen Wirtschaftens längst im Ort und weit darüber hinaus anerkannt. Er ist Mitglied im Netzwerk Demonstrationsbetriebe für ökologischen Landbau und unterstützt damit andere Betriebe, die die Umstellung von konventionellen auf Ökolandbau erwägen.
Wegen des Krieges in der Ukraine machen sich in Deutschland viele Menschen Sorgen, ob sie sich weiterhin kostengünstig und nachhaltig ernähren können. Auch der Biolandwirt Thomas Haaf und seine Frau Lucia werden von ihren Kunden gefragt, ob ihre Eier und Nudeln auch ohne Importe aus Kriegsgebieten erzeugt werden können. Denn auch wenn die Legehennen auf ihren Weiden den ganzen Tag am Picken und Scharren sind, reicht dieses Grünfutter nicht für deren hohe Ernährungsansprüche aus. Die Tiere werden mit einer Futtermischung aus größtenteils hofeigenen Kulturen wie zum Beispiel Triticale, Mais, Soja, Erbsen, Ackerbohnen und Luzernegras versorgt. Zugekauft werden nur ein Eiweißergänzer und Muschelschalenschrot. Mit einer eigenen Mischanlage wird das Futter hergestellt.
Die Eier werden an den Lebensmitteleinzelhandel wie Rewe, Tegut und Edeka, an Bioläden, Bäcker, Gaststätten oder Kindergärten verkauft. Die Junghennen bekommt Haaf von einem Bioland-Aufzuchtbetrieb, mit dem er schon lange vertrauensvoll zusammenarbeitet. „Das funktioniert super. Wir haben so gut wie keine Gesundheitsprobleme, wie zum Beispiel Federpicken oder sonstige Erkrankungen“, konstatiert Haaf. Aus Eiern, die nicht vermarktet werden können, weil sie beispielsweise zu klein oder zu groß sind, stellen die Haafs in Zusammenarbeit mit einem Biobetrieb in der Region verschiedene Nudelsorten mit Emmer, Einkorn, Dinkel und Weizengetreide her.
Hühner sind ursprünglich Waldvögel. Bei der Biohaltung stehen jedem Huhn vier Quadratmeter Auslauffläche zur Verfügung. Schwierig wird dies, wenn sich die Hühner aus Furcht vor Feinden aus der Luft nur in der Nähe des Stalls bewegen, weil sie sich weiter weg schutzlos fühlen. Kleine Schutzhütten oder wenige Obstbäume genügen häufig nicht. Die Hühner vom Biohof Haaf in Oberwittighausen fühlen sich aus zwei Gründen auf dem gesamten Areal sicher: Sie profitieren von Schutzhunden und der Bepflanzung des Auslaufs mit schnellwachsenden Pappeln. Die Bepflanzung mit Bäumen entspricht dem ursprünglichen und natürlichen Lebensraum und dem genetischen Erbe von Haushühnern. Die Pappeln bieten Deckung vor Greifvögeln und die Federtiere werden durch die Tunnelwirkung in die Fläche geleitet. So wird das Tierwohl gefördert und die nährstoffhungrigen Pappeln bekommen den benötigten Stickstoff und Phosphor.
Tatsächlich nutzen die Legehennen den gesamten Auslauf um ihre Mobilställe und erfreuen sich an dem grünen Speiseangebot, das mehrmals im Jahr durch den Umzug der Ställe in ein frisches Weidegebiet erneuert wird. Entscheidend hat laut Haaf der vierbeinige Wachtrupp in Form weißer Pyrenäenberghunde zum Wohl der Eierproduzentinnen beigetragen. Bevor diese aufmerksame Security zum Einsatz kam, stahlen sich Füchse und Greifvögel bis zu 200 Hühner im Monat als leckere Kost. „Im Jahr 2017 kam Rocky als erster Hütehund auf den Biohof“, berichtet Thomas Haaf. Die Hunde leben mit den Hühnern zusammen, haben diese adoptiert und fühlen sich für diese verantwortlich. Sie knurren sogar, wenn Thomas Haaf ein Huhn auf den Arm nimmt, um es zu kontrollieren. „Die stattlichen weißen Hunde schrecken mögliche Feinde wirkungsvoll ab. Deshalb fühlen sich die Hühner so gut behütet, dass sie die Schutzhütten kaum aufsuchen“, hat Thomas Haaf beobachtet. Ihren Kontrolldienst tätigen die Hunde ohne technische Systeme. Wenn Haaf lautes Hundegebell hört, weiß er: seine vierbeinigen Mitarbeiter sind im Tierschutz tätig.
Nicht nur bei der Futterherstellung, sondern auch bei der Energieversorgung setzt Thomas Haaf auf Eigenerzeugung. Die drei Mobilställe sind durch Photovoltaik energieautark. Anfangs wurden kleine Windkraftanlagen eingesetzt. Jedoch verlor die damalige Technik gegen jeden Sturm. Das Wasser für die Tiere stammt aus dem eigenen Brunnen. Die Eierpack- und die Sortierstation werden mit Grobhackschnitzeln geheizt. Baumschnitt, der früher von Kleingärtnern auf den Baumwiesen verbrannt wurde, lässt Thomas Haaf grün häckseln und trocknet das Gut selbst.
Die ökologische Erzeugung bedeutet auch, dass im Ackerbau keine Herbizide zur Regulierung von Bei- und Unkräutern zum Einsatz kommen, sondern dies durch mechanische Verfahren erfolgt. Jeder Arbeitstag mit dem Traktor lässt freilich durch die Verteuerung des Diesels die Kosten der Bioproduktion weiter steigen. Diese Zusammenhänge sind für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sofort ersichtlich und nachvollziehbar.
Eine andere Herausforderung ist für Thomas Haaf die auch von ihm mitzutragende Quersubventionierung der Aufzucht männlicher Küken von Legerassen, inzwischen unter dem Namen „Bruderhahn“ bekannt. Durch die Mast der Bruderhähne ist jedes verkaufte Ei mit drei Cent an zusätzlichen Kosten belastet, da diese mehr hochwertiges Futter benötigen als speziell für die Mast gezüchtete Tiere. Es braucht viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit der Biobetriebe, um dieses teurere Fleisch an die Frau oder den Mann zu bringen. Geflügelfleisch, das in Deutschland nicht abgesetzt werden kann, wird häufig in ärmere Länder exportiert. lra